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Baugebiet Neumühle 2021

Gefährliche Kontamination mit Schwermetallen im Baugebiet Neumühle in Oberursel-Weißkirchen

Baugebiet Neumühle 2021 Kontaminiertes Baugebiet „Neumühle“ in Oberursel-Weißkirchen zwischen dem Zimmermühlenweg (rechts) und dem Urselbach unter den Bäumen links  (Chr von Eisenhart)

  • Kontaminationsgefahr für den Urselbach durch schwermetallhaltige Altlasten beim geplanten Abtragen des Erdwalls auf dem Gewässerrandstreifen

  • Besorgnis über die Auswirkungen der möglichen Kontamination des Bachs auf Flora und Fauna, Spaziergänger, spielende und planschende Kinder und Hunde – auch im Unterlauf des Urselbachs in der Gemarkung Frankfurt-Niederursel

Oberursel/ Frankfurt, 12. Januar 2022 – Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) – Ortsverband Oberursel/ Steinbach und Ortsverband Frankfurt Nord – ist äußerst besorgt über die Gefahren von schwermetallhaltigen Altlasten, die in der Erde des Baugebietes Neumühle in Oberursel-Weißkirchen liegen. Betroffen sind besonders der Damm auf dem Gewässerrandstreifen des Urselbachs, das Bachbett und vermutlich auch die landwirtschaftlichen Flächen auf der Ostseite. In den 1930er Jahren stand hier eine Bronzefabrik, nach dem Krieg die Glashütte „Hessenglas“. Die Akteneinsicht des BUND beim Regierungspräsidium Darmstadt ergab, dass die Kontamination noch gravierender ist als gedacht und dass dringend weitere Untersuchungen durchgeführt werden müssen.

Wegen toter Fische im Urselbach am 03.06.2021 hatte der BUND Wasserproben vom Baugebiet Neumühle genommen und starke Belastungen mit Schwermetallen festgestellt. Daraufhin hatte der BUND Oberursel gemäß Umwelt-Informationsgesetz einen Antrag auf Akteneinsicht beim Regierungspräsidium gestellt. Trotz rechtlichen Widerstands des Projektentwicklers konnten Mitte Dezember 2021 die Aktiven des BUND tausende Aktenseiten studieren. Schon aus den bisher ausgewerteten Akten geht hervor, dass die Befürchtungen des BUND über die Giftkonzentration auf dem Gelände der Neumühle noch übertroffen wurden.

Vielfach überhöhte Messwerte

Zur Tabelle: Aus den Bodenproben des Baugebiets Neumühle wurden von den Behörden folgende Messwerte ermittelt, siehe nachfolgende Tabelle Spalte 2, entnommen aus den Akten des Regierungspräsidiums in Wiesbaden. Zum Vergleich stehen in Spalte 3 die Grenzwerte für Kinderspielflächen, da es sich hier um ein gemischtes Baugebiet handelt. In Spalte 5 sind die Prüfwerte für die Landwirtschaft aufgeführt, denn es ist davon auszugehen, dass sich die Kontamination des Bodens auf der anderen Seite des Urselbachs fortsetzt. Die Prüfwerte wurden der BBodSchV Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung entnommen.

Tabelle mit Messwerten vom Baugebiet Neumühle, Prüfwerten und „Vielfachem“

Die Bodenproben vom Baugebiet Neumühle zeigen erschreckend hohe Messwerte. Die Prüfwerte werden teilweise um mehr als das Tausendfache überschritten. Besonders die Bleiwerte sind inakzeptabel hoch. Insgesamt wäre das bei landwirtschaftlich genutzten Flächen (Hausgärten) besorgniserregend. Hier werden Familien mit Kindern leben, die den Urselbach einschließlich Randstreifen zum Spielen nutzen werden. Eine Kontamination des Bodens im und neben dem Urselbach ist deswegen äußerst gefährlich und nicht hinnehmbar.

Irreführende Bagatellisierung der Altlasten durch die Stadt Oberursel

Die Messwerte der Wasseranalysen, die der BUND Oberursel am 08.06.2021 genommen hat und unabhängig bewerten ließ, wurden vom Regierungspräsidium Darmstadt in einem behördlichen Gutachten mit den Messungen der Stadt Oberursel und des Bauherren verglichen. Der BUND hatte Sedimente in den Proben belassen, um ein möglichst realistisches Bild der Kontamination zu gewinnen. Die Kontamination des aus dem Baugebiet in den Bach eingeleiteten Wassers folgt den in der Erde gemessenen Werten.

Wegen toter Fische im Urselbach am 03.06.2021 hatte die Stadt Oberursel Messungen am 14.06.2021 lediglich an Bachwasser in weiterer Entfernung zur Baustelle vorgenommen. Daraufhin wurde der Tod der Fische auf eine fehlerhafte Einleitung chemischer Abwässer eines anderen Betriebes zurückgeführt. Bei diesen Messungen wurden keine Überschreitungen der Grenzwerte festgestellt, was nach Ansicht des BUND zu erwarten war. Wenn die fehlerhafte Einleitung nur kurzfristiger Natur war, so war diese sicherlich im Bach nach mehreren Wochen nicht mehr nachweisbar. Außerdem war in der Zwischenzeit, bevor die Stadt Oberursel die Messungen vornehmen ließ, die ungenehmigte Entwässerung des Baugebiets in den Urselbach am 09.06.2021 unterbunden worden. Eine Belastung des Urselbaches durch das Baugebiet Neumühle wurde daraufhin medienwirksam durch den ehemaligen Bürgermeister Brum und seinen Bauamtsleiter Richter verneint. Dieses Vorgehen betrachtet der BUND als eine Irreführung der Bürgerschaft und der Behörden.

Haben die Behörden ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt?

Der BUND ist irritiert darüber, dass der Bauherr nach Aktenlage bereits am 18.03.2021 über die hohe Kontamination Bescheid wusste, dies jedoch erst am 21.05.2021 dem Regierungspräsidium meldete. In der Zwischenzeit war auf der Baustelle der hochkontaminierte Wall am Bachufer durchstochen worden, um Wasser aus der überschwemmten Baustelle in den Urselbach abzuleiten. Weder die Obere noch die Untere Wasserbehörde hatten dies je genehmigt. Erst nach dem Protest des BUND bei den zuständigen Behörden am 08.06.2021 wurde der Durchstich am 09.06.2021 wieder zugeschüttet. Das beweist die Fotodokumentation des BUND. Der BUND fragt sich, wie und ob die Bauaufsicht der Stadt Oberursel hier ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen ist.

„Hätte die Stadt richtig gemessen, dann hätte sie die unzulässige Überschreitung der Grenzwerte der Kontamination selbst erkannt und sofort Alarm schlagen müssen. Sowohl das Gelände als auch die Bachsohle und der Hochwasserschutzwall sind hoch kontaminiert. Der BUND fordert deswegen die sofortige Sperrung dieses Bachabschnittes für Spaziergänger, besonders für Kinder und Hunde“, so Dr. Claudia von Eisenhart-Rothe, Vorsitzende des BUND Ortsverband Oberursel und Sprecherin des Arbeitskreises Altlasten des BUND Hessen.

„Auch die Bürgerschaft in Frankfurt-Niederursel ist sehr besorgt über die Gefahr, dass sich die Kontamination des Baugebietes Neumühle in Weißkirchen auf den weiteren Bachlauf in der Gemarkung Niederursel bis zur Nidda auswirken könnte. Die Ränder des Bachlaufes werden auch hier von Kindern, Spaziergängern und Hunden als Freizeitfläche und zum Planschen genutzt“, gibt Wolf-Rüdiger Hansen zu bedenken, Mitglied im BUND Ortsverband Frankfurt Nord und im Vorstand des BUND Kreisverbands Frankfurt.

Sanierung des kontaminierten Walls am Urselbach mit 69 Auflagen

Der Projektentwickler wurde nun vom Regierungspräsidium mit 69 Auflagen aufgefordert, den Wall am Urselbach zu roden und abzutragen. So muss die kontaminierte Erde entfernt werden, ohne dass davon etwas in den Bach gelangt. In Sorge um die Unterlieger wie Frankfurt-Niederursel, hat der BUND Oberursel in kollegialer Zusammenarbeit mit dem BUND Frankfurt Nord die Überwachung der nun anstehenden Bauarbeiten am Bach verabredet.

Der BUND Frankfurt hat die Untere Wasserbehörde der Stadt Frankfurt am 11.01.2022 über den Sachverhalt informiert. Über die Kontamination des Neumühle-Geländes war man dort nicht informiert. Der BUND erhielt die Auskunft, dass in so einem Fall die zuständige Untere Wasserbehörde des Hochtaunuskreises für die komplette Abwicklung einschließlich der Schadensvermeidung für den Urselbach zuständig sei. Die Behörden sind also aufgefordert, gewissenhaft zu verhindern, dass besonders beim Abtragen des Walls kontaminierte Erde in den Urselbach gelangt. Der BUND fordert vollständige Transparenz gegenüber dem Bauherrn und der Bürgerschaft. Er behält sich vor, auch auf Frankfurter Seite weitere Wasserproben analysieren zu lassen.

Konsequenzen für die Anwohner und weitere Untersuchungen

Die hohe Bleikonzentration im Wall am Urselbach resultiert aus der Bleiverdampfung bei der Herstellung des bekannten Bleiglases. Das Blei gelangte aus dem Schornstein mit dem Wind auf die angrenzenden Flächen. Damit besteht der dringende Verdacht, dass sich die Kontamination nicht auf das Neumühlengelände beschränkt, sondern mit dem meist vorherrschenden Westwind auch auf die östliche Seite des Bachs gelangt ist. Deswegen müssen auch Bodenproben auf der anderen Uferseite entnommen und analysiert werden, besonders wegen der dortigen landwirtschaftlichen Flächen, deren Nutzpflanzen Blei in unterschiedlichem Maße aufnehmen.

Der BUND fordert weiterhin den Bauherren auf, klare Auflagen für die Nutzer der zukünftigen Immobilien zu veranlassen: Die Gärten dürfen nicht dem Obst- und Gemüseanbau dienen. Weinstöcke, Obst- oder Nussbäume sollten nicht gepflanzt werden. Sollte die Schule einen Schulgarten betreiben, so dürfen nur Hochbeete bewirtschaftet werden. Weiterhin sollte auch die Bachsohle untersucht und gegebenenfalls saniert werden. Bis dahin sind unbedingt Wasseraktionen mit Kindern oder Haustieren in diesem Bachabschnitt zu unterbinden.

Pressemeldung, Fotos und weitere Informationen zu Altlasten in Oberursel:
https://www.bund-hochtaunus.de/ortsgruppen-im-kreisverband/ov-oberursel/altlasten/

>>> Pressemitteilung als PDF

In eigener Sache

Der BUND ist stets an Zeitzeugenberichten aus der Nachkriegszeit interessiert. Diese sind sehr wertvoll für die Identifizierung von Altlasten auf städtischen Brachen oder im Zusammenhang mit Bauvorhaben. Meldungen gerne telefonisch an Dr. Claudia von Eisenhart-Rothe (siehe Signatur).

 


Kontakte

Dr. Claudia von Eisenhart-Rothe
BUND Ortsverband Oberursel/ Steinbach
Eckardtstr. 4, 61440 Oberursel
Mobil: 0175 – 5670 228,
E-Mail: Claudia.eisenhart(at)bund.net

Wolf-Rüdiger Hansen
BUND Ortsverband Frankfurt Nord/ BUND Kreisverband Frankfurt
Kasseler Str. 1a, 60486 Frankfurt
Mobil: 0171 – 2257 520
E-Mail: ruediger.hansen(at)bund-frankfurt.de
Telefon: 069 – 979 489 68
E-Mail: geschaeftsstelle(at)bund-frankfurt.de
www.bund-frankfurt.de

Cordula Jacubowsky
BUND Kreisverband Hochtaunus
Milcheshohl 27, 61462 Königstein im Taunus
Mobil: 0179-7845148
E-Mail: vorsitzende(at)bund-hochtaunus.de